Sie arbeiten am Essener Frieden

Im „Initiativkreis Religionen in Essen“ teilen Christen, Juden und Muslime eine gemeinsame Mission. Nicht nur in der Interkulturellen Woche, die noch bis zum 3. Oktober läuft.

Sie sind Christen, Juden, Muslime und haben eine gemeinsame Misson: Sie werben für Frieden, Mitmenschlichkeit und für den Respekt vor dem Glauben des anderen: „Wir alle haben einen Bund mit Gott.“ Und dass das ein wenig nach Kirchentag klingt, stört sie keineswegs.

„Wir haben das schöne Wort Shalom, das steht nicht nur für Frieden, sondern auch für Ganzheitlichkeit und Gleichgewicht – leider ist die Welt aus dem Gleichgewicht.“, sagt Hans-Hermann Byron, der Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Essen. Freilich haben sich er und seine Mitstreiter keineswegs vorgenommen, gleich die ganze Welt zu retten (sowas behaupten nur Pop-Poeten), vielmehr wollen sie bei ihren Nächsten beginnen, in ihrer Stadt. „Wir nennen uns ,Initiativkreis Religionen in Essen’, weil wir hier handeln wollen – auf der Grundlage unseres Glaubens“, betont Willi Overbeck vom evangelischen Kirchenkreis.

Wie dieses Handeln aussehen kann, hat Bernhard Jakschik bald gemerkt, nachdem er vor knapp drei Jahren als katholischer Pfarrer nach Katernberg kam. „Ich war kaum hier, da gab es diese unseligen Demonstrationen von Pro NRW vor den Moscheen im Stadtteil.“ Da sei die Kirche gefragt gewesen, da habe man sich mit den Muslimen zum Friedensgespräch verabredet. „Wir hatten einander kaum kennenlernen können, da haben wir schon gemeinsam gebetet.“

Als hilfreiche Geste hat das Muhammet Balaban von der Kommission „Islam und Moscheen“ erlebt. Nun müsse der spontane Schulterschluss in den Alltag gerettet werden: „Viele Moscheen laden regelmäßig die Nachbarschaft zum Besuch ein, doch leider nehmen nur wenige diese Einladung an.“ Jakschik kann das bestätigen; dieser Tage habe er nach einem Gottesdienst in Heilig Geist seine Gemeindemitglieder gefragt, „welche Berührungspunkte sie zur Moschee auf der gegenüberliegenden Straßenseite haben“. Die Resonanz sei dürftig gewesen. Man lebe nebeneinander her, kenne das Leben, den Glauben der anderen oft nicht.

„Viele kennen nicht einmal ihren eigenen Glauben“, lacht Byron. Wenn er Führungen durch die Synagoge mache oder vom Judentum erzähle, erlebe er seine Zuhörer oft ratlos. „Die halten unseren Glauben auch für eine Geheimwissenschaft, weil sie ihre Religion nicht kennen, weil ihnen so jeder Vergleich fehlt.“

Der Glaube sei weitgehend aus dem Alltag verbannt und tauge doch regelmäßig als Brandbeschleuniger in einer säkularisierten Welt. Man denke an Schlagzeilen aus jüngster Zeit: Da geht der Vatikan gegen ein Titelbild des Satire-Magazins „Titanic“ vor, da reagieren Muslime mit Gewalt auf ein Schmähvideo. Da wertet ein Kölner Gericht die Beschneidung von Kindern als Körperverletzung und sorgt für Irritationen bei Juden und Muslimen. „Wenn das so Bestand hätte, hätte Charlotte Knobloch recht, dass wir uns hier nicht mehr willkommen fühlen können“, sagt Byron. Dass seine kleine jüdische Gemeinde mit ihren 930 Mitgliedern schon jetzt besonderen Schutz braucht, nimmt er dagegen als gegeben: „Ein Leben ohne Sicherheitsschleusen? Das werde ich nicht erleben.“ Willi Overbeck möchte das nicht so hinnehmen: „Mir ist das ein Stich im Herzen.“ So sieht es auch Muhammet Balaban, der nicht bestreitet, dass zuletzt einige Attacken auf Juden und ihre Einrichtungen von muslimischen Jugendlichen ausgingen. „Dabei steht im Koran, dass man die Werte anderer Religionen heiligen soll wie die eigenen.“

Die Mitglieder des Initiativkreises wollen das beherzigen. „Wir ringen schon einmal um Worte“, sagt Jakschik. „Aber am Ende entscheiden wir einstimmig“, ergänzt Byron. „Wir haben ein Vertrauensverhältnis“, sagt Balaban. Es gelte, so Overbeck: „Niemand redet dem anderen in seine Religion.“ Sie wollen eben Vorbild sein – nicht nur in der Interkulturellen Woche, die gerade läuft: „Wir arbeiten am Essener Frieden“.

Kontakt zum Initiativkreis Religionen:  55 79 341

 

Quelle: Christina Wandt, 21.09.2012, www.derwesten.de